2013 – Eine Abschiedserklärung

An diesem Artikel schreibe ich schon seit November 2013. Immer wieder stand ich vor der Frage, wie privat werde ich. Ich habe geschrieben, verworfen und wieder geschrieben. Den ganzen Beitrag gelöscht und wieder angefangen. Ergebnis ist meine persönliche Abschiedserklärung an 2013. Der Dreh- und Angelpunkt im letzten Jahr war für mich die Krebserkrankung meiner Mutter. Es geht um Abschied und damit auch indirekt um einen Neubeginn, der immer Teil des Abschiedes ist. Manches wird nie wieder so sein wie es mal war. Für mich beginnt aber ab heute ein neuer Lebensabschnitt.

Grundlegend bin ich der Überzeugung, dass wir unser „Schicksal“ selbst in der Hand haben. Natürlich gibt es in unserem Leben Dinge, die wir nicht beeinflussen oder kontrollieren können. Oft sind das aber nur Randnotizen oder kleinere Herausforderungen die wir dann auch meistern. Manchmal sind es aber doch einschneidende Erfahrungen. Dinge die das Leben auf den Kopf stellen.

Es begann im Frühjahr 2013. Meiner Mutter ging es gesundheitlich nicht gut. Begonnen hat es mit Husten und Schmerzen in der Brust. Es wurde gesucht und vermutet. Papageienkrankheit. Lungenentzündung. Lungenembolie. „Aber Krebs ist das nicht“ meinte ihr Hausarzt. Im April ging sie dann zu einem Spezialisten und Anfang Mai kam die Diagnose. Lungenkrebs. Einige Wochen später war dann klar, der Krebs wurde seit Jahren übersehen und ist nicht heilbar. Jede Form der Behandlung kann uns nur Zeit  verschaffen.

Meine Mutter kämpfte. Mehrer Zyklen Chemo und Bestrahlung, die sie relativ gut vertrug. Nur der ständige Husten ging einfach nicht weg. Diese Hustenanfälle schnürten mir jedes mal mein Herz ein. Auch wenn es mir selbst schwer viel, verbrachte ich möglichst viel Zeit mit Ihr.  So viel Zeit wie es mir möglich war. Es hatte Priorität, vor dem Job, vor meinem Privatleben, vor allem. Nur meine Ruhephasen brauchte ich. Rückzug um nicht selbst daran zu zerbrechen. Um ihren nächsten Hustenanfall seelisch zu überstehen.

Ende Mai stand dann auch mein Weggang von Serviceplan fest. Die tolle Stelle hatte in dieser Phase nicht die notwendige Priorität in meinem Leben. Der Abschied von meiner Mutter war wichtiger. Unsere Beziehung war schon lange problematisch und es gab einige Dinge die wir klären mussten. Das Klärung auch einfach nur verzeihen bedeuten kann, habe ich erst am Ende dieser Zeit gelernt.

Meine Mutter hat mit jedem Behandlungszyklus immer wieder gehofft und Pläne geschmiedet. Welchen Weihnachtsmarkt sie besuchen möchte und wie wir Weihnachten feiern. Mir war klar, dass sie mir nicht sagt wie schlimm es wirklich steht. Ob sie es selbst nicht genau wusste, oder mich schonen wollte ist egal. Ich habe es so angenommen und nicht nachgebohrt. Mir wurde aber immer mehr klar wie begrenzt unsere Zeit war. 

Ende Oktober, an einem Montag musste sie dann ins Krankenhaus, weil sie kaum Luft bekam. Das dies ihre letzten Tage waren ahnte ich nicht, wollte es auch nicht. Auch ich hatte Hoffnung. Am Abend bin ich direkt ins Krankenhaus gefahren um sie zu sehen und es ging ihr nicht gut. Im ersten Moment als ich das Zimmer betrat dachte ich dort liegt meine Oma und nicht meine Mutter. Der Anblick hat mich tief getroffen. Meine Familie war schon da und sie saß auf dem Bett ihren Kopf auf ein Kissen auf dem Schoss meines Vaters gebettet. Mein Vater wich keinen Schritt von Ihrer Seite, über Tage. Auch am Dienstag habe ich sie im Krankenhaus besucht.

Am Mittwoch sah es dann schon besser aus. Es ging ihr ganz gut, kein Husten und Späße konnte sie auch machen. Beim nächsten Besuch sollte ich ihr Lieblingslied mitbringen „Somewhere over the rainbow“. Wir hatten auch eine Stunde für uns alleine. Sie sprach darüber was sie sich wünscht, wenn sie nicht mehr da ist. Da es ihr an diesem Tag so gut ging wollte ich dieses Gespräch eigentlich nicht führen, aber sie ließ sich nicht abbringen. Wenn es ihr nicht so gut gegangen wäre, hätte ich dieses Gespräch als ein Vorzeichen gesehen. Es ging ihr aber gut, so gut wie lange nicht mehr. Am Montag sollte sie verlegt werden um die Behandlung wieder aufzunehmen. Es war ein schöner Tag und ich fuhr etwas beruhigter Heim.

Am nächsten Morgen um 6:30 klingelte mein Telefon. Mein Vater war dran und sagt mir unter tränen, dass meine Mutter gerade gestorben ist. Ich konnte es nicht glauben, es sah doch wieder besser aus. Im Halbschlaf und unter tränen kam nur ein „Oh nein“ über meine Lippen.

Dann kamen Tage in denen wir ständig Entscheidungen treffen mussten. Entscheidungen die man nicht treffen möchte. Es begann am Nachmittag im Krankenhaus. Möchtest Du sie noch einmal sehen? Nein, wollte ich nicht. Mein letztes Bild ist der Mittwoch, der Tag an dem es doch so gut aussah. Wo wir die Weihnachtszeit geplant habe. Wir waren uns an ihrem letzten Tag so nah wie nie zuvor. In diesem Moment gab es keine offenen Baustellen mehr in unserem Leben. Wir waren versöhnt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert